Wochenend und Sonnenschein.........

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Gestern fragte ein alter Freund auf Facebook: „Wie kommt ein inteligenter Mensch mit dieser Welt eigentlich zurecht ?“ Klar, erst wollte ich antworten: „Intelligente Menschen schreiben intelligent mit ll.“ Aber keiner mag Besserwisser. Also habe ich geantwortet: „Hm, gute Frage. Im Grunde versucht doch jeder so gut wie möglich mit der Situation fertig zu werden. Ein bisschen Geld, bisschen Freizeit, bisschen Liebe und ein bisschen Glück. Das reicht doch schon. Probleme machen immer nur die Leute, die den Hals einfach nicht voll bekommen.“

So weit, so gut. Ohne es zu wissen, hat mein alter Freund aus Fuerteventura damit in meinem Kopf eine Lawine los getreten. Den ganzen Tag geht mir seine Frage durch den Kopf: „Wie kommt ein intelligenter Mensch mit dieser Welt eigentlich zurecht ?“ Gar nicht?

Wenn ich über mein Leben in Deutschland nachdenke, fällt mir sofort ein, das ich dort viel mehr Freizeit hatte. Und auch viel mehr Möglichkeiten, diese Freizeit einigermaßen sinnvoll zu verbringen. Klar, man kann eine Megapolis wie Tokyo nicht mit der ländlichen Idylle des Sauerlandes vergleichen, aber die Frage und auch die Antwort darauf bleiben trotzdem.

Wie kommen die Japaner mit dieser Welt zurecht? Nun, für den Grossteil der Japaner, besonders in den Ballungsgebieten (und von denen gibt es hier massig....), fängt der Tag mit Rumgeschubse und Gedränge in der Bahn an. Hat man es dann doch auf einen einigermaßen akzeptablen, wenn auch meistens Stehplatz geschafft, vergeht für den Durchschnittsbürger in Tokyo knapp eine Stunde, bis er nach mehrmaligem Umsteigen am Arbeitsplatz ankommt. Meistens sitzt er dann in einem Grossraumbüro, ohne jegliche Möglichkeit auf Privatsphäre, ärgert sich mit ständigen Entscheidungsmeetings herum, auf denen eigentlich nur das entschieden wird, was einem der gesunde Menschenverstand eh gebietet. Und Abends zwängt er sich dann so im Durchschnitt zwischen 19 und 21 Uhr wieder in den Zug.

Unterbrochen werden diese tristen Arbeitstage nur durch Dienstreisen, auf denen man dann auch wieder in überfüllten Zügen oder Flugzeugen sitzt, oder durch die Sauftouren, die man im Durchschnitt 2-3 mal in der Woche mit Kollegen nach der Arbeit durchzieht. Da sitzt man dann in engen, überfüllten Lokalen oder Bars, zieht sich so schnell wie möglich die Birne dicht und unterhält sich ....... na? ……… über die Arbeit und was für ein Arschloch der Büroleiter ist. Danach fährt man dann mit zigtausenden anderen Besoffenen im völlig überfüllten Zug nach Haus, wo die Kinder nach einem harten Schultag schon schlafen und die Ehefrau keinen Bock hat, für einen total besoffenen und aus dem Maul stinkenden Salaryman die Beine breit zu machen. Und wenn sie ein bißchen Glück hat, wird sie auch nicht dazu gezwungen, weil der Göttergatte eh schon im Soapland oder bei seinem Fuckbuddy war, oder einfach nur viel zu blau ist.

Jaha, aber dann kommt das Wochenende. Da kann man sich dann mal richtig entspannen, oder mal was mit der Familie unternehmen. Während Papa auf dem Sofa seinen Rausch ausschläft, geht Mama mit den, nach langen Tagen in der Schule, völlig überdrehten Blagen in ein völlig überfülltes Schwimmbad, oder in einen völlig überfüllten Park, oder ein völlig überfülltes Kino, oder ............


Du Mama, ich muss mal.....


Wenn man japanische Ehefrauen nach dem Sinn ihres Lebens fragt, müssen sie oft lange überlegen, bis sie dann endlich damit herauskommen: „Ich widme mein Leben vollkommen meinen Kindern.“ Yep, von 18 Uhr abends, denn da kommen die meisten Kinder aus der Juku (Nachhilfe/Vorbereitung), bis 7.30 morgens, denn dann geht es in die Schule. Oder den Tageshort. Das gleiche gilt auch, wenn Mama mit dazuverdienen muss. Die völlige Hingabe für die Kinder ist sicher auch der Grund, warum Japan die mit Abstand höchste Selbstmordrate unter Kindern hat........

Naja, ich will mal nicht so sein. Natürlich fahren japanische Familien auch mal in den Urlaub. Zur gleichen Zeit wie alle anderen Japaner auch. Um dann an völlig überfüllten Stränden zu liegen und sich danach im völlig überfüllten Hotel ein total überteuertes Abendessen reinzuziehen. Ist das nicht herrlich? Entspannung pur!

Ob das in ganz Japan so ist? Nein. Auf meinen Dienstreisen ins „Ländle“, habe ich z.B. in Kyushu Leute kennengelernt, die nach der Arbeit an den Strand zum Grillen gefahren sind. Grillen! Das geht in den Ballungszentren nicht ohne gewaltige Vorbereitungen. In Tokyo im Garten grillen? Bwahahaha! Was für ein Garten? Grillen bedeutet hier: Platz reservieren/mieten, zig Leute anmailen (von denen dann nur ein paar kommen), elendig früh aufstehen um in die tiefste Pampa zu fahren und oft auch Scheisswetter. Und schon um 7 Uhr Abends wird es stockdunkel. Auch im Hochsommer.......

Wie oft sehne ich mich nach den alten Zeiten: Nach der Arbeit schnell zum Metzger, den Grill anschmeissen, paar Freunde anrufen die Bier mitbringen und dann bis 10 Uhr Abends draussen sitzen und Blödsinn labern. Herrlich...... 

Message in a bottle......

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Keine Angst, ich lebe noch. Ich gehöre aber nun mal nicht zur Sorte Blogger, der sofort lostippt, wenn ihm ein Furz quer sitzt. Es gibt da genug andere herrliche Beispiele im Net. Sicher, in meinem Leben gibt es ständig irgendwelche “Events“, die man durchaus als nicht ganz normal bezeichnen könnte, aber ich hab mittlerweile einen Level erreicht, wo vieles einfach nur noch als alltäglich bezeichnet werden kann.

Wenn der Wahnsinn erstmal alltäglich wird, kann man an dieser Situation nichts aussergewöhnliches finden. So ist das nun mal. Oder wie mein Opa immer sagte: “Wenn du lange genug in der eigenen Scheisse sitzt, stinkt es gar nicht mehr so schlimm.“ Recht hat er. Also schwimme ich weiter schön gleichmäßig mit der Strömung durch ein Meer von Bekloppten.

Auffällig ist, das die Besucherzahl des Blogs stetig abnimmt, wenn ich mal 2-3 Wochen nichts schreibe. Gut, damit kann ich leben. Ich werde euch nicht irgendein Gesülze vorsetzen, wenn es nicht sein muss. Oder tue ich das hiermit bereits? Wie dem auch sei. Bleibt mir erhalten. Kommende Highlights zeichnen sich schon ab: Lieferung meines neuen Autos, eine Installation in der Nähe von Osaka und der Besuch von Big Al in den Sommerferien.

Gehabt euch wohl......

...... völlig schwerelos .......

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Nein, einem ausgewachsenen Mann mit schweinchenrosa Hemd und metallicrosa Krawatte mache ich keinen Platz. Vergiss es. Du hast jetzt 2 Möglichkeiten: a) Du trollst dich, oder b) Du legst dich mit 100kg schlechter Laune an.

Deine Wahl war weise.

Und schon sitze ich im Zug und lasse meine Gedanken schweifen.

Ich sitze? Warum? Ach ja, ist ja „Golden Week“. Das ist die Zeit, wo die Salarymen ihren ganzen spärlichen Mut zusammennehmen und den Boss doch tatsächlich nach 2-3 Tagen Urlaub fragen. Auf diese Weise kann man sich dieses Jahr 10 freie Tage verschaffen und aus Tokyo flüchten. Irgendwo hin, wohin ganz Tokyo flüchtet und es deshalb total überfüllt ist. Schlaue Zeitgenossen kommen jetzt nach Tokyo und können relativ leere Züge erleben. Man darf halt nur nicht zu den Plätzen, die Leute aus Inaka nach Tokyo ziehen, so wie der Sky Tree, oder Odaiba.

Mir egal. Ich spare meinen Urlaub für außerhalb der Saison und genieße leere Hotels und jetzt eben relativ leere Züge. Auch im Büro kann man es jetzt aushalten, weil die schlimmsten Quatschtanten (und Quatschonkels....) mit ihren Blagen irgendwo im Urlaub sind. Die schönste Zeit des Jahres in Tokyo.

So sitze ich also mitten auf der Bank und komme mir vor wie ein Astronaut in einer Raumkapsel auf einer Umlaufbahn um Mutter Erde. In einer Parallelwelt natürlich. Und die Hitzeschilde für den Eintritt sind kaputt. “Houston, ich habe ein Problem. Nein, eigentlich habe ich ziemlich viele Probleme.“ Verzögerte, verstümmelte Antwort: “Fi ….. fi ..... fick dich!“ So geht es wohl den meisten Gaijin. Man lebt im Auge eines Sturms der nie vorüberzieht.

Heute sind wieder ziemlich viele „Zucker“ im Abteil. Oder fallen die sonst nicht so auf, weil sie im vollgepackten Zug ihren Zuckungen keinen freien Lauf lassen können? Ich weiß es einfach nicht. Zucker? Was zur Hölle meint er denn jetzt wieder? Ne, ehrlich. Die „Zucker“ sind nur eine Form von ausgeprägter Metropolitis oder Salarymanoe. Jeder der mit dem Zug zur Arbeit pendelt, kennt diese Typen. Da wird wild mit den Schultern gezuckt, oder mit den Augen und Mundwinkeln. Manchmal zucken sie auch aus der Hüfte auf und ab. Auf und ab. Immer wieder. Wird man so, wenn man zulange in Tokyo lebt und arbeitet? Oh du mein Jesus! Mir zuckt ab und zu das linke Auge! Besonders wenn ich im Büro unter dem Bullshit meiner Salarykollegas zu leiden habe. Ist das erst der Anfang und irgendwann kann ich mich auch zu den Zuckern im Zug gesellen? Gibt es dann eine Art Konkurrenz unter den Zuckern? “He du, schau mal wie toll ich mit den Schultern zucken kann!“ „Pfft. Na und? Ich zucke hier schon seit einer Stunde mit meinen Klöten, du Anfänger!” Ja, das Leben kann echt hart sein.

Houston? Hoooouuuustoooon!